Jele Mailänder

Darf sie das?

Warum steht hier kein Ausrufezeichen?

Jele Mailänder
Frauenfragen

Hier schreibe ich über uns. Frauen. Was uns bewegt. Und wie wir unsere Berufung zu Leitung und Verkündigung an der Seite von Männern annehmen können. Wir nehmen unseren Platz ein. Dabei stellen wir Fragen. Fragen, die auch Männer bewegen.

Wir sind auf der Autobahn. Es ist früh am Morgen. Ich erzähle meiner Kollegin von dieser Serie hier und dass ich in jedem Artikel eine Frauenfrage stelle.

„Warum stellst Du eigentlich Fragen? Wir brauchen doch lieber klare Ansagen und Aussagen!“ meint sie. Die Schilder und Leitplanken rasen an mir vorbei. Zum Glück bin ich dieses Mal Beifahrerin. So schnell die Landschaft an mir vorbeifliegt, rasen die Gedanken in meinem Kopf: „Warum eigentlich Fragen? Warum stelle ich in den Überschriften der vergangenen Artikel keine Thesen auf? Warum tragen die Artikel nicht Überschriften wie „Ich bin genug!“ – „Da ist Platz für uns!“ – „Meine Emotionen führen in die Freiheit!“ – „Ich lebe meine Berufung!“ (vgl. die vergangenen vier Ausgaben).

Weil die Ansagen und Aussagen wohl offensichtlich noch lange nicht so klar sind, wie wir sie gerne hätten:

Warum ist immer noch so viel unklar? Warum tragen die meisten Bücher zum Thema „Frauen in Leitung und Verkündigung“ ein Fragezeichen am Ende der Überschrift? Warum fällt es uns schwer, festzuzurren, was wir meinen? Warum ist es nicht selbstverständlich, dass in Gemeinden und Kirchen Frauen in Leitung und Verkündigung aktiv sind?

Warum?

Weil wir Frauen in Gemeinden und Kirchen uns an Fragen gewöhnt haben. Weil wir uns Fragen stellen und in Frage stellen lassen. Und weil eine Frage dauernd mitschwingt? „Darf SIE das?“

Der Zweifel ist gesät. Wann aus einer revolutionären neuen Sicht auf die Stellung der Frau durch Jesus und später auch Paulus eine Umkehrung wurde, die die Stellung von Frauen in Frage stellt, weiß niemand so genau. Dass aber Bibelstellen wie 1.Kor 14,34 („…die Frau schweige..!“), 1.Tim 2,11-13 („Eine Frau lerne in der Stille mit aller Unterordnung.“) oder 1.Mose 3,12 („Die Frau … gab mir von dem Baum“) diese Fragen immer wieder hoch kommen lassen, steht fest.

Warum tragen die meisten Bücher zum Thema „Frauen in Leitung und Verkündigung“ ein Fragezeichen am Ende der Überschrift?

Mein Weg

Dabei gibt es da noch die großen Linien: Dass Gott von Anfang an Frau UND Mann Seite an Seite gestellt hat (1.Mose 2).

Dabei gibt es da noch die großen Linien: Dass Gott von Anfang an Frau UND Mann Seite an Seite gestellt hat (1.Mose 2). Dass Gott gerade mit Frauen Geschichte schreibt: Mit Tamar, Rahab, Eva, Rebekka, Rut, Milka, Maria, Lydia, Damaris. Dass er Frauen beauftragt: „Geht hin und sagt es meinen Brüdern!“ (Matt 28,10). Dass es selbstverständlich ist, dass die Frau Geschäftsfrau, Leiterin, Unternehmerin, Hausfrau und Strategin war (z.B. Spr 10,31ff). Dass eine Frau Gott unter ihrem Herzen trägt und die Frauen den ersten Auftrag zur Verkündigung (!) bekommen (z.B. Mk 16,10) und die entscheidende Rolle beim Gemeindeaufbau spielen, steht eben auch fest.

Offensichtlich steht es wohl außer Frage, dass Gott uns zumutet, mit dieser Spannung, wie sie übrigens öfter in der Bibel auftaucht zu leben. Sie auszuhalten. Und dabei mutig und treu, Grenzen zu überschreiten – auch die der Gendergrenzen. Es bleibt deshalb sonderbar, dass – obwohl Gemeinden aus mindestens 50 Prozent Frauen bestehend, Leitungsgremien und Verkündigungsdienste mehrheitlich von Männern besetzt sind. Frauen sollen ihre Gaben zur vollen Entfaltung kommen lassen. Und zwar an dem Platz, wo sie dieses Potential ganz einbringen können. (Und damit meine ich nicht nur Kindergottesdienste, Hauskreise, Lobpreisteams oder Ladykonferenzen!)

Mein Impuls

Ich werde mich nicht in Diskussionen über das Geschlecht verlieren, sondern meiner Berufung folgen.

Durch den biblischen Kanon zieht sich ein Grundtenor: Gott will einzelne Lebensgeschichten gebrauchen. Wir sind herausgefordert – über Gendergrenzen hinweg – unsere persönliche Berufung zu leben. Einen Unterschied zu machen. Gott folgt nun mal keiner Gendertheorie, sondern er überwindet Grenzen und gesellschaftliche Standards. Hierarchien, Machtansprüche und Rollenbilder wirft er über den Haufen. Wenn das gelingt, dann wären unsere Kirchen und Gemeinden dafür bekannt, dass Frauen und Männer Seite an Seite gemeinsam leiten und verkündigen? Das könnte Bände sprechen und uns attraktiv und vorbildhaft in unserer Gesellschaft da stehen lassen. Das passiert aber leider noch nicht – weil die Fragen immer mitschwingen.

Und so beschließe ich an diesem Tag auf der Autobahn einmal mehr für mein Leben: Ich werde mich nicht in Diskussionen über das Geschlecht verlieren, sondern meiner Berufung folgen. Mein Gebet ist es, ein fruchtvolles Leben führen. Wenn Fragen lähmen und nicht in die Weite führen, gilt es sie ungelöst ihren Platz zu verweisen und mutig weiterzugehen. Veronika Schmidt schreibt in ihrem Buch „Endlich gleich!“ (Ein Buch ohne Fragezeichen im Titel!) „Wir Christinnen brauchen Mut zur Einflussnahme!“ [1] Ja! Wir brauchen Mut, Spannungen auszuhalten, Fragen unbeantwortet stehenzulassen und unseren Platz an der Seite von Männern ein- und anzunehmen!

Das ist doch keine Frage, oder?

[1] Schmidt, Veronika: „Endlich gleich! Warum Gott schon immer mit Männern und Frauen rechnet“. Seite 152.

Gott folgt nun mal keiner Gendertheorie, sondern er überwindet Grenzen und gesellschaftliche Standards. Hierarchien, Machtansprüche und Rollenbilder wirft er über den Haufen.

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Noch mehr von mir lesen über

Ich übe noch. Leben in der Gegenwart

Eine Sache fang ich dauernd neu an. Ich übe seit Jahren. Weil sich diese Sache Zeit braucht. Übung. Wiederholung.
Es geht dabei um Achtsamkeit. Ich sehne mich danach ganz im Hier und Jetzt zu sein: körperlich und mental. Ich sehne mich nach der Bereitschaft, das anzunehmen, was da ist. Ohne dabei die Gefühle und Gedanken zu bewerten. Oder sie zu vermeiden. Für mich als aktiven Menschen ist das wirklich eine Herausforderung. Also übe ich.

Was hilft gegen FOMO [Fear Of Missing Out]? Oder: Wie die Angst, etwas zu verpassen loswerde!

Ich gebe zu: Ich leide an FOMO.

Das ist die Abkürzung für „Fear of missing out“, also die Angst etwas zu verpassen. Es ist die Sorge, dass hinter der nächsten Ecke etwas noch Besseres auf mich wartet.

BIs jetzt habe ich Menschen immer belächelt, die sich bis zuletzt alle Möglichkeiten offen gehalten haben. Und die an FOMO gelitten haben. Bis es mich selbst erwischt hat.